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07.12.2022

Regierungskommission legt Krankenhauskonzept vor: weniger Ökonomie, mehr Medizin

Gesundheitsminister Karl Lauterbach erwartet von seiner Krankenhausreform, dass die Behandlungen in Kliniken besser und die Kosten reduziert werden.

Mit der Reform soll der wirtschaftliche Druck auf Kliniken verringert werden. Die Behandlung von Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern soll künftig mehr nach medizinischen und weniger nach ökonomischen Kriterien erfolgen. Das empfiehlt die 17-köpfige „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“. Dafür sollen die Kliniken nach drei neuen Kriterien honoriert werden: Vorhalteleistungen, Versorgungsstufen und Leistungsgruppen. Das Fallpauschalensystem müsse entsprechend weiterentwickelt werden, heißt es in der Empfehlung.

Die Regierungskommission empfiehlt, die Regelungen in einer Konvergenzphase von fünf Jahren schrittweise einzuführen. Damit bleibt Zeit, sich auf das veränderte Finanzierungssystem einzustellen.

Die Vorschläge der Regierungskommission im Einzelnen:

1. Vergütung von Vorhalteleistungen

In den nächsten fünf Jahren soll die Fallpauschale durch ein Zwei-Säulen-System abgelöst werden. Derzeit erfolgt die Finanzierung von Krankenhausleistungen weitestgehend über Fallpauschalen. Fixkosten – wie das Vorhalten von Personal, einer Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik – müssen überwiegend ebenfalls über die Fallpauschale erwirtschaftet werden. Um die Bedeutung der Krankenhäuser für die Daseinsvorsorge zu unterstreichen und um den wirtschaftlichen Druck auf möglichst viele Behandlungsfälle zu senken, empfiehlt die Regierungskommission, künftig einen festen Betrag als Vorhaltekosten zu definieren, den Krankenhäuser – je nach ihrer Zuordnung (siehe Punkte 2 und 3) – erhalten.

  • Vorhaltepauschalen werden lediglich einen Teil der Finanzierung repräsentieren. Der restliche Anteil wird aus einem angepassten DRG-System ergänzt. Vorhaltekosten sollen mit dem Ziel aus den DRG herausgenommen werden, bedarfsgerechte Leistungsmengen und Strukturen durch eine Koppelung von Vorhaltefinanzierung und Krankenhausplanung zu erreichen.
  • Um den wirtschaftlichen Druck möglichst vieler Behandlungsfälle zu senken, erhalten Krankenhäuser künftig fest vereinbarte Vorhaltekosten. Die Vorhaltekosten werden von den DRG abgezogen. Der Vorhaltebetrag orientiert sich weiterhin nach der Versorgungsstufe einer Klinik und einem Leistungsgruppensystem.

 


„Nach zwei Jahren Coronapandemie schreiben 60 Prozent der deutschen Kliniken in diesem Jahr rote Zahlen, 20 Prozent sind insolvenzgefährdet. Das rechnet der neue Krankenhaus Rating Report des RWI Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung und des Institute for Healthcare Business vor. Diese Krankenhäuser werden auch mit einer 40 %igen Vorhaltepauschale nicht auskommen. Es braucht mehr Geld im System, ansonsten werden Krankenhäuser die medizinische und pflegerische Versorgung der Bevölkerung nicht mehr gewährleisten können.“

Ansgar Hörtemöller


2. Definition von Krankenhaus-Versorgungsstufen (Leveln)

Die Krankenhausstrukturen in Deutschland sind historisch gewachsen. Jedes Krankenhaus unterhält unterschiedliche Fachabteilungen und bietet unterschiedliche Leistungen an. Künftig sollen Krankenhäuser in drei konkrete Level eingeordnet und entsprechend gefördert werden:

  • Grundversorgung – medizinisch und pflegerische Basisversorgung, zum Beispiel grundlegende chirurgische Eingriffe und Notfälle
  • Regel- und Schwerpunktversorgung – Krankenhäuser, die im Vergleich zur Grundversorgung noch weitere Leistungen anbieten
  • Maximalversorgung – zum Beispiel Universitätskliniken

 

Für jedes Level sollen einheitliche Mindestvoraussetzungen gelten. Damit würden erstmals einheitliche Standards für die apparative, räumliche und personelle Ausstattung gelten – und dadurch die Behandlungsqualität für Patientinnen und Patienten maßgeblich erhöht werden. Den Krankenhäusern des Levels I, der Kategorie „Grundversorger“, kommt in dem Konzept eine besondere Bedeutung zu. Die Kommission unterteilt diese Kategorie noch einmal in Krankenhäuser, die Notfallversorgung sicherstellen (Level In) und solche, die integrierte ambulant/stationäre Versorgung anbieten (Level Ii). Krankenhäusern des „Levels Ii“ soll eine Schlüsselrolle auf dem Weg zur Überwindung der stationär-ambulant getrennten Gesundheitsversorgung zukommen. Deshalb empfiehlt die Regierungskommission, sie sektorenübergreifend regional zu planen, sie vollständig aus dem DRG-System herauszunehmen und über Tagespauschalen zu vergüten. Solche Einrichtungen sollen auch unter pflegerischer Leitung stehen können.

Sie müssen flächendeckend eine wohnortnahe Versorgung garantieren. Sie werden daher unterteilt in Krankenhäuser, die eine Notfallversorgung sicherstellen (Level In) und solche, die integrierte ambulant/stationäre Versorgung anbieten (Level Ii). Krankenhäusern des Levels Ii soll eine Schlüsselrolle auf dem Weg zur Überwindung der zu häufig noch stationär-ambulant getrennten Gesundheitsversorgung zukommen.


„Spannend wird die Ausgestaltung des „Level Ii“. In Einrichtungen sollen niedergelassene Ärzte ein Bett belegen können und nach EBM abrechnen dürfen – gleichzeitig kann die Einrichtung Ärzte fest anstellen.“

Ansgar Hörtemöller
 

3. Einführung von definierten Leistungsgruppen

Die lediglich grobe Zuweisung von Fachabteilungen (wie „Innere Medizin“) zu Krankenhäusern soll durch genauer definierte Leistungsgruppen abgelöst werden (z. B. „Kardiologie“). Behandlungen sollen künftig nur noch abgerechnet werden können, wenn dem Krankenhaus die entsprechende Leistungsgruppe zugeteilt wurde. Voraussetzung für die Zuteilung ist die Erfüllung genau definierter Strukturvoraussetzungen für die jeweilige Leistungsgruppe, etwa bezüglich personeller und apparativer Ausstattung. Je nach Komplexität wird für jede Leistungsgruppe festgelegt, ob sie an Krankenhäusern aller drei Level erbracht werden darf oder nur an Krankenhäusern höherer Level (II und III oder nur III). Für jede Leistungsgruppe wird ein Vorhalteanteil festgelegt.

Fazit:

  • Die vorgestellte Empfehlung der Regierungskommission zur grundlegenden Reform der Krankenhausvergütung analysiert die Problemlage in der Krankenhausversorgung zutreffend und macht substanzielle Vorschläge für eine positive Weiterentwicklung der Krankenhausstruktur und deren Finanzierung.
  • Das Stufenmodell ist auch für die ambulante Versorgung empfehlenswert.
  • Die größte Herausforderung im Gesundheitswesen ist sicherlich die demographische Entwicklung und der Fachkräftemangel, insbesondere der Mangel an Medizinern und Pflegekräften. Aber auch älter werdende Ärzte und Pflegekräfte stellen Krankenhäuser vor große Herausforderungen. Zwei Drittel der Mediziner und 375.000 Pflegende sind 50 Jahre und älter.
  • Insgesamt sind die Reformschritte nachvollziehbar und sinnvoll. Was jedoch nach dem Gesetzgebungsprozess von den Empfehlungen umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.


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